Auch in diesem Jahr folgten die Sternfreunde aus der ganzen Schweiz dem Aufruf der Starparty-Organisatoren Peter Stüssi und Peter Kocher. Sie nahmen die Gelegenheit wahr, um vom 28. bis 30. August 1992 auf dem Hohberg (FR) Erfahrungen auszutauschen.
Den Ort des Geschehens zu finden ist denkbar einfach: Man verlasse die Autobahn Bern - Fribourg über die Ausfahrt Düdingen und fahre bis Zollhaus. Bereits ab hier zeigen Starparty-Wegweiser wo's langgeht. Ab Zollhaus klettert die schmale Strasse durch eine wunderschöne Landschaft bis auf 1490 m.ü.M. zum Chalet du Hohberg hoch.
Wie gewohnt war das ganze Chalet mit seinen 50 Schlafplätzen für die Astronomie reserviert, um Probleme mit Wanderern, die im Gegensatz zu Sternguckern früh zu Bett gehen und auch früh aufstehen, zu vermeiden.
Da ich mir den Freitagnachmittag frei genommen hatte, trafen Ruth und ich denn auch sehr früh am Abend beim Chalet ein, wo die Starparty-Begründer und weitere Sternfreunde bereits die Stellung hielten. Nach der allgemeinen Begrüssung wurden die mitgebrachten Köstlichkeiten in die Küche geschleppt und mit einem kleinen Gläschen Weisswein das Wiedersehen gefeiert.
Unsere Frauen wurden anschliessend in der Küche mit Holzkochherd, Pfannen und sonstigen Gerätschaften aktiv, während im Lichte der untergehenden Sonne auf der Terrasse bereits eifrig über Instrumente diskutiert wurde. Der klare Himmel über unseren Köpfen kündigte eine bevorstehende gute Nacht an. Es dauerte nicht lange, schon wurden wir an die liebevoll gedeckte Tafel, auf der nicht einmal die Blumen fehlten, gerufen. Das Menu des Abends, Rahmgeschnetzeltes mit Reis, war dem eines Fünfstern-Hotels absolut ebenbürtig und fand daher bei allen kräftigen Zuspruch.
Nachdem der Hunger gestillt war, drehten sich die Gespräche natürlich wieder um die Sterne. Doch der prüfende Blick schweifte immer öfter durch das Fenster nach draussen und bald hielt es keiner mehr in der gemütlichen Gaststube des Chalets aus. Die zunehmende Dunkelheit enthüllte immer mehr Sterne am Firmament der mondlosen Nacht. Die Instrumente wurden aus den Autos geholt und alle waren intensiv mit aufbauen und justieren beschäftigt. Kurz darauf standen folgende Teleskope einsatzbereit:
Wir waren schon eine kleine Weile mit Beobachten beschäftigt, als Beat Kohler eintraf und den Instrumentenpark um seinen riesigen 15cm Lichtenknecker Halbapochromat und einen 90mm Kutter-Schiefspiegler bereicherte. Besonders zu Beginn der Beobachtung wurde die Leistung der verschiedenen Instrumente anhand der gleichen Objekte geprüft. Besonders Epsilon Lyrae musste «herhalten» um das Auflösungsvermögen zu beurteilen. Jeder begab sich von einem Instrument zum nächsten, um die Unterschiede mit eigenen Augen zu erleben. Mich persönlich beeindruckte die Leistung von Beat Fankhausers Takahashi FCT 100. Dieses ässerst kompakte Instrument überzeugte zum Beispiel durch ein sauberes Trennen von Epsilon Lyrae und hervorragendes Auflösen von M13 in Einzelsterne. Besonders der Anblick von NGC 6992/6960 (Cirrusnebel) mit dem O III-Filter wird mir unvergesslich bleiben.
Alle Augen waren schon adaptiert, als Autoscheinwerfer vom Tal her die Ankunft eines weiteren Besuchers ankündigten. Das Fahrzeug kam über den Feldweg bis dicht an unseren Standort und überschüttete uns mit gleissendem Scheinwerferlicht. Trotz abwenden des Kopfes und zukneifen der Augen verabschiedete sich das aufgebaute Sehpurpur blitzartig von unseren Sehstäbchen. Beat, gerade dabei, den Anblick von NGC 7000 (Nordamerikanebel) zu geniessen, war entsetzt über diese astronomische Todsünde und bekundete lautstark seinen Unmut darüber. Der Ankömmling entpuppte sich als Reporterin von Radio DRS und hatte (noch) keine Ahnung von Astronomie. Diesen Umstand wurde alsbald abgeholfen und die Reporterin verliess uns nach rund 2 Stunden mit einer Spule voller Interviews über das Thema Sterngucken. Es wird gemunkelt, dass sie nun über die «Adaption des Auges an die Dunkelheit» besonders gut Bescheid weiss ...
Die Nacht wurde anschliessend mit dem aufspüren von weniger bekannten, schwachen Objekten fortgesetzt. Besondere Naturverbundenheit bewies Markus Hägi, als er sich in die (zum Glück trockenen) Verdauungsprodukte einer Kuh legte, um bequem durch das Okular des zum Zenit gerichteten grossen Lichtenknecker-Refraktors zu schauen.
Die Müdigkeit lichtete dann nach und nach unsere Reihen und nur ein kleines Häufchen Unentwegter hielt bis zum einsetzen der Morgendämmerung durch.
Der Samstagmorgen wurde zum ausschlafen genutzt und langsam fand einer nach dem anderen den Weg zum Frühstückstisch - nur einer fehlte. Nach der ersten Stärkung des Tages traf man sich am Kutter-Schiefspiegler mit H-Alpha-Filter um die Sonne zu beobachten. Die Mühe wurde durch eine kleine Protuberanz am Sonnenrand belohnt. Es war fast Mittag und unser Markus schlief immer noch. Er wurde kurzerhand mit einer über seinem Haupt geschwungenen Kuhglocke aus seinen Träumen gerissen. Er brummelte daraufhin etwas von «fehlenden Stunden» unter der Wolldecke hervor, doch bald darauf tauchte er unter allgemeinen Applaus in der Gaststube auf.
Eine Gruppe beschloss am Nachmittag den 2185m hohen Kaiseregggipfel zu erstürmen und marschierte rüstig ab. Die Zurückgebliebenen vertrieben sich die Zeit mit lesen, diskutieren oder einem kleinen Spaziergang mit dem Starparty-Maskottchen King. King ist ein Deutscher Schäferhund, der seit der 2. Starparty, die er als Welpe mitmachte, immer mit von der Partie ist. Leider verschlechterte sich das Wetter zusehends und bald setzte Wind und Regen ein. Die Wandergruppe kehrte daher zurück, ohne den Gipfel bezwungen zu haben.
Um 18 Uhr sassen wir dann alle gespannt vor dem kleinen Radio, um die Ausstrahlung des DRS-Beitrages über die Starparty zu hören. Der Reporterin war es ausgezeichnet gelungen, mit ihren Kommentaren und Interviews ein treffendes Bild der Starparty zu vermitteln. So waren wir für den Lichtüberfall am Freitagabend mehr als entschädigt worden!
Anschliessend begannen in der Küche die Vorbereitungen zu den traditionellen Starparty-Spaghettis. Die Frauen waren mit kochen beschäftigt, unterstützt durch einige Männer, die Holz hackten, Wasser abschütteten oder servieren halfen. Das delikate Resultat dieser Arbeit wurde von allen mit einem wahren Heisshunger verzehrt. Nach dem Essen bewies das as-Team, bestehend aus Markus und Jan, dass sie nicht nur mit Schreibmaschine und Teleskop umgehen können, sondern auch den Geschirrabwasch souverän beherrschen.
Kaum war der Küchendienst beendet, als noch ein Sternfreund, bis auf die Haut durchnässt, zu uns stiess. Trotz Dunkelheit, Regen und Nebel hatte Stefan Meister, mit Rucksack, Karte und Kompass bewaffnet, den Weg von Schwarzsee aus zum Hohberg gefunden. Er kam direkt aus einem Astronomie-Lager in der ehemaligen DDR. Rasch wurden seine Kleider und Landkarten zum trocknen in der Gaststube ausgebreitet und er selbst vor einem grossen Teller mit heissen Spaghettis gesetzt.
Nun, an diesem Abend wurde es leider nichts mit praktischer Astronomie, also gab man sich mit der Theorie in gemütlicher Runde bis um zwei Uhr morgens hin, während draussen der Regen rauschte.
Am Sonntagmorgen kitzelten uns wieder Sonnenstrahlen wach, die durch die Fensterläden fielen, als ob es nie geregnet hätte. Nach dem Morgenessen benutzten wir einige der Fernrohre, um die prächtigen Berge in der Umgebung zu bewundern. So bestand auch die Gelegenheit, die technischen Details der Eigen- und Umbauten bei Tageslicht zu studieren und zu besprechen.
Doch nur allzu bald musste man ans Zusammenpacken denken, die vierte Starparty neigte sich dem Ende zu. Der Abschied von den alten und neugewonnenen Freunden fiel schwer, doch es gibt einen Trost: Die nächste Starparty kommt bestimmt!
An der vierten Starparty nahmen insgesamt 15 Personen mit diversen Instrumenten teil. Was vor vier Jahren im kleinen Kreise begann, erlebt von Jahr zu Jahr immer mehr Zuspruch aus verschiedenen Teilen der Schweiz. Selbstverständlich sind zu diesem Anlass auch Sternfreunde aus dem Ausland herzlich willkommen. Es ist die Gelegenheit, um gemeinsam zu beobachten, Kontakte zu knüpfen und die Freundschaft unter Gleichgesinnten zu pflegen.
Zum Schluss möchte ich den «Astrofrauen» danken, dass sie durch ihren Einsatz die Starparty jedesmal auch zu einem kulinarischen Ereignis werden lassen und Verständnis dafür aufbringen, wenn wir manche Nacht im Jahr am Okular verbringen.
(aus astro*sapiens 4/92, von Marcus Lurati)