Die 8. Starparty

13.-15. September 1996 auf dem Gurnigelpass in den Berner Alpen

«Schneefallgrenze um 1000 bis 1400 Meter über Meer», drohte die Wetterprognose im Teletext, dabei war noch wenige Tage zuvor das schönste Frühherbstwetter. Irgendwie schienen sich die Wettergötter und die vier Elemente der Natur gegen die Astronomie verschworen zu haben. Sollte nun diese Starparty ebenfalls so ein feuchtkalter Reinfall wie die letztjährige werden?

Freitag

Entwurf für ein 96er T-Shirt, welches jedoch nie realisiert wurde.

Ob Regen oder Sonnenschein, eine Teilnahme an der Starparty lohnt sich allein schon wegen den Bekanntschaften - ausserdem bin ich ja auch dazu verpflichtet, zumal ich für die Inserate und die WWW-Seiten verantwortlich bin.

Die Hinfahrt auf den Gurnigel gestaltete sich recht abwechslungsreich - einerseits vom Wetter, das sich in Form von Sonnenschein, orkanartigem Sturm oder Platzregen auszutoben verstand, andererseits von der Erstfahrt in einem anderen Wagen. Wenigstens ging es ziemlich zügig voran, ohne grosse Unterbrüche durch die bekannten Verkehrsverstopfungen auf der Autobahn um Bern herum.

In der Nacht vom Freitag auf den Samstag fielen einige Zentimeter Schnee

Oben auf dem Gurnigelpass wartete schon geduldig Peter Stüssis Opel Corsa. Der Organisator selbst tat sich im Bergrestaurant an einer heissen Tasse Kaffee gütlich. Die ersten Schneeflocken fielen bereits und nur die fehlende Weihnachtsdekoration liess darauf schliessen, dass es erst Mitte September sein musste. Gemeinsam warteten wir auf die ersten Gäste und schauten dem abwechslungsreichen Spiel der verschiedensten Niederschlagsformen zu. Eine Zeit lang fielen Schneeflocken, dann einmal Graupel und alles wurde harmonisch von beständigem Nieselregen unterstrichen. Hie und da taten sich aber auch einige kleine Lücken in der grauen Wolkendecke auf.

Gesamtmosaik des Platzes mit einsamen Peter Müller

Die Einträge von Bettreservationen einiger Starparty-Teilnehmern in der Agenda des Bergrestaurants machten uns wieder Hoffnung, dass wir dieses Wochenende doch nicht zu zweit auf einem kalten, feuchten und verschneiten Militärgelände bestreiten mussten.

Close-Up von Markus Hägi und Peter Müller

Nach einiger Zeit trafen zwei Deutsche Sterngucker ein, ihre Namen waren glaub Otto und Michael. Sie beide waren gerade auf einer regelrechten Astro-Odyssee: Das Wochenende davor waren sie bei einem Astrotreff in der Schwäbischen Alb, dann fuhren sie runter nach Südfrankreich auf den Puimichel zu Dany Cardoen (leider war das 1m-Teleskop gerade besetzt), dann zu uns in die Berner Alpen auf die Starparty (leider war das Wetter ziemlich hoffnungslos) und am Samstagmorgen weiter nach Kärnten in Österreich zum ITT (hoffen wir auf schönes Wetter dort). Hm, wer hat da mal gesagt, Astronomie sei etwas langweiliges?

Schliesslich traf dann auch Peter Kocher ein und wenig später auch noch zwei weitere Mitglieder der astro*sapiens-Familie: Peter Müller und Markus Hägi. So langsam versprach es doch noch gemütlich zu werden. Zu Beginn des Abendessens gesellten sich auch noch René Öfeli und nach der Suppe und dem Salat dann noch Bernhard Blank und Radek Chromik hinzu. Am Freitagabend waren wir trotz des hundsmiserablen Wetters immerhin zu zehnt.

Am Abend diskutierten wir bis nachts um zwei Uhr über Fernrohre, Deep-Sky Objekte, CCD-Kameras, Raumzeit und spezielle Relativitätstheorie. Eine Lösung wurde jedoch in keinem dieser Themenbereiche gefunden, dafür wurde der in der Zwischenzeit gefallene Schnee für eine kleine Schneeballschlacht genutzt.

Samstag

Hägar im Ozean der Mathematik

Nach einer etwas unruhigen Nacht bei einem Geräusch eines Strassentunnelbohrers - zum Glück hatte ich Ohrenstöpsel dabei - wurde es zwar Morgen aber nicht viel heller. Der Himmel war immer noch wolkenverhangen. Eine zarte Schneedecke bedeckte die Berge und die Umgebung des Berghauses bis hinunter zur Schneefallgrenze, etwa 100 Meter unterhalb. Diese Szenerie passte wenigstens gut zu der trostlosen Atmosphäre im kargen Militärmassenlager. Nun ja, Astronomen schlafen nicht lange und dies selten nachts. Immerhin konnt jeder aus zehn Betten das unbequemste wählen. Aber Vorsicht! Morgens nicht zu schnell erwachen, denn die Doppelbetten sind niedrig. Aua.

Gurnigel, 12 Uhr, Regen, die Frisur hält, 3-Wetter-Taft

Ein leckeres Frühstück weckte die Lebensgeister und sorgte für neuen Mut. Drei machten sich auf zu einem kleinen Morgenspaziergang um den 500 Meter weit entfernten Panzerschiessplatz einmal bei Tageslicht zu erkunden. Markus und ich kraxelten im nassen, kalten Matsch herum und versuchten, den gigantischen Beobachtungsplatz auf ein Bild zu kriegen, ein hoffnungsloses Unterfangen mit 50mm Brennweite. Die kleine Ameise auf dem Mosaik unten links ist Peter Müller. Zu unserer Überraschung entdeckten wir ein Überrest der vergangenen Starparty von 1995: die Kartonschachtel des 10-Liter-Weinsackes für das Schmidt-Chianti mittels derer seinerzeit der Panzerschiessplatz von den gröbsten Kuhfladen befreit wurde. Anscheinend ist das Schweizer Militär sehr nachlässig, was die Müllbeseitigung betrifft.

Die Zeit zwischen der Exkursion und dem Mittagessen verbrachten die übrig gebliebene Handvoll Starpartyler mit der Studie von Zeitschriften und Büchern, der Korrektur des Deep-Sky Corners oder wie im Falle von Markus: etwas abgesondert mit der Korrektur von Mathematikklausuren. Einige zogen es vor, etwas Schlaf vor- oder nachzuholen, damit man für eine eventuell kommende klare Nacht fit ist. Noch bestand diesbezüglich Hoffnung, auch wenn einem das Wetter keinen Anlass dazu bot.

Gruppenfoto fast aller Starparty '96 Teilnehmer. Foto © 1996 Radek Chromik Bei der Sternwarte von Radek Chromik. Noch steht hier nur eine Kuppel. Foto © 1996 Radek Chromik Schöne Aussicht über das Gantrischgebiet. Foto © 1996 Radek Chromik

Das Mittagessen war ausgezeichnet. Essen tut man gut auf dem Gurnigel, auch wenn die langbekannten Starparty-Spaghettis fehlen. Ob das Wetter endlich auch einmal so gut wie das Essen wird? Mal die nächste Stunde abwarten, doch die Wetternachrichten des DRS3 waren leider ziemlich notdürftig: Bewölkung und Niedersschläge, für die, welche es noch nicht selbst herausgefunden haben. Anbei war noch die passende Meldung, dass ein vierzehnjähriger Japaner namens Subaru Takahashi allein den Pazifik überquert hatte.

Ab Mittag trafen nach und nach mehr Sterngucker ein, darunter Fernand und Els Zuber mit ihrem Camper und der frohen Nachricht, dass im Wallis die Sonne scheint und es womöglich bald besseres Wetter auf dem Gurnigel geben werde. Etwas später gesellten sich auch wieder die Berner zu uns, welche natürlich zuhause übernachtet hatten.

Ein kitschiger Sonnenuntergang im Nebel

Am Nachmittag wurde ein Diaprojektionssystem aufgebaut und Radek begann mit seinem Vortrag über den Bau seiner nahe gelegenen Privatsternwarte. Nach zwei 50er Diamagazinen interessanten Vortrags sprang die ganze Bande in ihre Autos und flitzte zu Radeks Sternware, um sie live ansehen zu dürfen. Die in der Zwischenzeit angekommenen Sterngucker hielten die Stellung, während wir die Sternwarte besichtigten. Eine schnuckelige kleine Sternwarte an bester Lage: mitten auf einer Kuhweide mit Südsicht. Besonders interessant war die externe Montierungssäule: Sie zeigt den aus astronomischer Sicht einzig vernünftigen Verwendungszweck eines Laternenpfahles - absägen und einbetonieren. Während der kleinen Wanderung pflückte Els Zuber eifrig noch die reifen Brombeeren am Wegesrand. Auf der Rückfahrt bot sich dann noch die Gelegenheit, einen besonders kitschigen Sonnenuntergang durch Nebel hindurch zu fotografieren.

Nach dem leckeren Abendessen geschah dann das unerwartete, doch lang ersehnte: Die Bewölkung riss auf! Wir rätselten noch kurze Zeit wie stabil der ganze Spass wohl sein werde und ob wir besser an einen anderen Platz fahren sollten. Dann entschieden wir uns aber doch für den Panzerschiessplatz. Er war wenigstens trocken und wir mussten nicht irgendwo in einem Sumpf herumstapfen. Nach und nach fuhren alle auf den Platz und stellten in gewohnter Routine in der Dunkelheit - aufgehellt von einigen Scheinwerfern oder Taschenlampen - ihre Fernrohre auf.

Ein Schmidt-Chianti sorgt bei jedem Wetter für eine gute Stimmung. © Stefan Meister

Ab und zu zogen ein paar Nebelschwaden über den Platz doch im grossen und ganzen konnten wir wenigstens zweieinhalb Stunden lang beobachten. Grosse Lichtkanonen waren diesmal auf der Starparty nicht vertreten. Hauptsächlich dominierten Refraktoren von 5cm bis 15cm Öffnung, die bekannten 20cm SCT's, ein 15cm Dobsonian und eine kleine Russentonne. Die grösste Öffnung wies mein getunter 30cm f/4 Newton auf.

Was alles womit beobachtet wurde, das kann ich nicht sagen, denn ich war zu sehr mit meinem Gerät und Objekte einstellen auf Wunsch beschäftigt. Vom Hörensagen her aber wurde der Pentax-Refraktor, welcher Michel Figi mitgebracht hatte, getestet und auch diverse TeleVue-Okulare aus dem Van von Foto Video Zumstein.

Gegen eineinhalb Uhr morgens zog eine dicke Nebelschwade über den Platz und liess die meisten Fernrohre vor Feuchtigkeit beschlagen. Man entschloss sich, vor allem auch wegen der Kaelte, die Fernrohre wieder einzupacken und den Rest der angebrochenen Nacht im Restaurant zu verbringen. Sonderlich kalt draussen war es zwar doch nicht und wenig später, als alle Fernrohre schon abgebaut waren, riss der Himmel wieder einigermassen auf. Besonders klar und trocken wurde es aber nie. Es war eher eine mittelmässig bis schlechte Nacht. Es soll ja Spass machen und das ist doch die Hauptsache an einem Hobby, oder?.

Nach ein paar Gläsern Rotwein gelingen selten gerade Bilder. © Stefan Meister

Im Restaurant fiel man entweder über den vom Personal freundlicherweise zur Verfügung gestellten Kaffee her oder vergnügte sich mit dem Starparty-Maskottchen, dem Schmidt-Chianti, das schliesslich doch noch aufgestellt wurde. Genüsslich wurden die Pommchips vom original 8" Celestron-SCT-Spiegel gegrabscht und mit einem, zwei oder drei Gläschen Rotwein hinuntergespült.

Es wurde festgestellt, dass sich bei der Starparty ein unangenehmer Trend entwickelte: Die Beobachtungszeit scheint von Jahr zu Jahr abzunehmen. Wurde früher auf dem Hohberg von einigen noch die ganze Nacht bis zum Sonnenaufgang beobachtet, gab man sich diesmal schon mit nur zweieinhalb Stunden zufrieden - zugegeben, dazumal beobachteten wir noch in T-Shirts. "In ein paar Jahren, so scheint es den Anschein zu haben, wird wohl niemand mehr sein mitgebrachtes Fernrohr aufstellen wollen - auch wenn draussen die wunderprächtigste Nacht sei." Genug von dieser Truebsalblaserei! Das war eher eine scherzhafte Feststellung, die in dieser Nacht in die Welt gesetzt wurde. Es soll dies doch niemand abschrecken, das naechste mal zur Starparty zu kommen. Um dem Trend entgegenzutreten, fasste eine kleine Gruppe hartnäckiger Amateurastronomen den Entschluss, gegen morgen um drei oder vier den Komet Tabur mittels Felstecher und auch von blossem Auge zu sichten, was auch erfolgreich gelang.

Sonntag

Einen Starparty-Sonntagmorgen gab es noch nie ohne wunderprächtig klaren Himmel. © Stefan Meister

Langsam öffnen sich am Morgen danach die Augen. Vorsichtig schiebt sich das Lid des linken Auges hoch, fährt aber geblendet durch das grelle Licht sofort wieder nach unten. Dann versucht es das Lid des rechten Auges - etwas erfolgreicher, denn immerhin konnte es mehrere Sekunden lang die Stellung halten. Keine Kuhglocken weit und breit? OK, dann wagen wir es: beide Augen gehen auf. Doch was um Himmels Willen ist das?

Keine Flecken, aber dafür Protuberanzen - ein H-alpha Filter macht's möglich. © Stefan Meister

Murphy hatte wieder mit aller Wucht zugeschlagen. Aua! Durch das kahle Fenster knallt einem ein strahlendblauer Gebirgshimmel entgegen. Wieso um Kachelmanns Willen ist bei jeder Starparty der Sonntagmorgen mit dem schönsten Wetter gesegnet? Irgendwie scheinen Zyklone entgegen aller bisheriger Theorien doch ein Bewusssein zu besitzen. Ein Bewusssein? - hämische Schadenfreude ist wohl der bessere Ausdruck. Aber was ein echter Amateurastronom ist, der lässt sich von keiner Witterung unterkriegen.

Intes Russentonne © Stefan Meister

Nach einem ausgiebigen und ausgedehnten Frühstück wurde das sonnige Wetter und der strahlendblaue Himmel ohne das geringste Wölkchen genutzt um einerseits die feuchten Fernrohre zu trocknen und andererseits mittels eines 90mm Kutters von AOK und einem H-alpha Filter die Sonne zu beobachten. Unser Zentralstern zeigte zwar keinerlei Flecken auf ihrer Oberfläche, dafür zeigten sich aber einige schöne Protuberanzen am Rand. Jedem Funkerherz zum Trotz sehnt sich das Astronomenherz zum nächsten Sonnenfleckenaktivitätsmaximum hin.

Nach einer feuchten Nacht müssen Auto und Fernrohre halt getrocknet werden. © Stefan Meister

Der Himmel war derart klar, dass ohne grosse Probleme mit blossem Auge die Venus am Taghimmel beobachtet werden konnte. Im Kutter zeigte sich, dass die Luft doch zu unruhig für dieses Instrument war, denn die Venus war manchmal zwei, drei oder viermal zu sehen. Aber wenigsten waren wir für die feuchten und feuchtfröhlichen Stunden etwas entschädigt worden. Einen Refraktor wollte niemand aufstellen, denn entweder waren die einen mit Packen beschäftigt, die anderen mit diversen Fachdiskussionen und die dritten hatten schon oft genug die Venus am Taghimmel gesehen.

Venus am Taghimmel? Von Auge und mit Kutter kein Problem. © Stefan Meister

Die Zeit war wieder gekommen, um von den Teilnehmern der achten Swiss Starparty Abschied zu nehmen. Zweimal Peter und ich danken allen etwa dreissig Teilnehmern herzlichst für ihr Erscheinen trotz der aussergewöhnlich schlechten Wettervorhersage, und wir hoffen, demnächst gemeinsam einmal eine Drei-Tage-Sonnenschein-Starparty mit zwei bombastisch klaren Nächten erleben zu dürfen.

Text: Bernd Nies
Bilder: Stefan Meister und Bernd Nies