Es war Freitagmorgen, den 29. August 1997. Von meinem Balkon aus blickte ich über die Surselva im Bündner Oberland. Dicke Wolken hingen über dem Tal und versperrten den Sonnenstrahlen zum Teil das Vordringen auf den Boden. Zwischen den Lücken erkannte man die Bergspitzen, die bei dem Kälteeinbruch am Vortag und in der darauffolgenden Nacht einen Zuckerguss erhielten. Die Wetterprognosen verhiessen zwar gutes Wetter, aber bei dem Anblick kamen mir Zweifel auf, ob wir auf der Starparty was sehen würden. Meine Dreipässefahrt über Oberalp, Furka und Grimsel liess ich auf alle Fälle fallen, vielleicht auf dem Rückweg, dachte ich mir. So nahm ich denn um die Mittagszeit die Strecke von Brigels über Zürich auf den Gurnigel unter die Räder um nach sieben Stunden und mehr als 350 km mit einem Umweg auf besagtem Berg anzukommen.
Das Wetter im Berner Oberland war in der Tat vielversprechend. Nach der Begrüssungstour, und dem Bezug der Unterkunft (HD-Soldat Läppli lässt grüssen) machte ich mich mit einem Entrecôte Café de Paris beobachtungsbereit.
Um 22.00 Uhr war es komplett dunkel und da ich schon als letzter diniert habe, war es auch kein Wunder, dass ich als letzter auf den Beobachtungsplatz gelangte. Der Platz war bereits sehr gut ausgelastet und auf den ersten Blick hatte ich Mühe, in der Dunkelheit für mein Instrument einen Standort zu finden. Aber mit ein bisschen gut zureden, war auch für mich noch ein Plätzchen zu finden und so kam auch dieses Jahr wieder eines dieser allseits beliebten Schmidt-Cassegrain-Teleskope zum Einsatz.
Beim anschliessenden Rundgang ging es darum, die diesjährige Gerätepallette zu eruieren. Zur Freude aller hatten auch diesmal wieder Dobsonteleskope den Weg auf den Gurnigel gefunden. Drei dieser Lichtkanonen mit Öffnungen zwischen 40 und 50 cm standen bereit, den Blick in die tiefen des Alls zu öffnen. Daneben gab es Refraktoren, Cassegrains, Schmidt-Cassegrains und Newtons namhafter Hersteller. Trotz Dobsons, die Kaufteleskope waren eindeutig in der Überzahl.
Und der Himmel? Lies man den Augen genug Zeit, um an die Dunkelheit adaptieren zu können, erstrahlte eine Milchstrasse, so prächtig und wunderschön, wie es mittellandgeschädigte nur selten zu sehen bekommen. Das Wetter war in der Tat sehr gut und der Himmel so klar, dass man von einer fast perfekten Nacht sprechen konnte. Nur die Transparenz hätte noch ein bisschen besser sein können. Während ich mich am Anblick von M22 und M25 im Schützen durch mein C8 ergötzte, gingen viele Besucher mit den Dobsons auf Skytour im Schwan beim Cirrus-Nebel und anderen galaktischen Highlights. Wieder andere liessen sich in die Geheimnisse der digitalen Astronomie einweihen. Mit ST-7 und viel Know-How wurden dem Himmel seine schleierhaften Geheimnisse entlockt. Die Nacht ging viel zu schnell um, und die Vorstellung, dass es am anderen Tag schlechtes Wetter geben sollte, passte nicht so recht ins Bild dieser Nacht.
Als ich mich am anderen Morgen dann aus dem Schlafsack kämpfte, liess Petrus keine Freude auf kommen. Der Himmel war grau und mit vielen Wolken verhangen, aus denen es zeitweise regnete. Das Gesicht schlief postwendend wieder ein.
Dem konnte man beim Frühstück Abhilfe schaffen. Aber auch der Kaffee liess keine Freude aufkommen, ob es wohl Kaffee-HAG war?
Der Tag liess sich am besten drinnen verbringen. Am langen Tisch wurde diskutiert, Fotoalben betrachtet, Zeitschriften zerknüllt und am Laptop auf der neuesten Version von Astroinfo "trockengesurft". Andere trotzten dem faden Ziegelsteinrot des Bodens und liessen einen Teppich von Hale-Bopp-Bildern entstehen. Dem Schweifstern wurde eine eigentliche Nachlese bereitet, alle hatten etwas beizutragen. Mit astronomischen Leckerbissen, Mittagessen und Glacéschlemmereien wurde es schnell einmal Nachmittag und des öftern standen einige auf dem Vorplatz und prüften den Himmel kritisch. Doch zu diesem Zeitpunkt liess der Himmel keine «blaue Störung» erkennen.
Das Teilnehmerfeld hatte sich in der Zwischenzeit etwas geändert. Einige hatten sich bereits wieder verabschiedet während andere erst ankamen. Einer dieser Neuankömmlinge war Beat Fankhauser. Auch diesmal liess er uns wieder sein 4-Zoll Questar-Teleskop bewundern, dass so schön anzusehen ist, dass man es viel lieber in eine Vitrine stellen als den rauhen Verhältnissen einer Beobachtungsnacht aussetzten würde. Mit diesem «Vitrinoskop» durften wir dann eine Zehnfrankennote betrachten, um uns von der hervorragenden Qualität und Schärfeleistung der Optik zu überzeugen. In der Tat war das Bild trotz der schlechten Beleuchtung im Raum derart gut, dass man selbst kleinste Unebenheiten auf der Note in absoluter Klarheit und Schärfe sah. Diese optische Qualität wünschte sich wohl noch manch einer für sein Teleskop, wenn es nur nicht so teuer wäre. Beim «Notenlesen» wurde es schnell Abend und nachdem wir die Belegschaft des Berghauses Gurnigel, wegen eines zerzausten Gedeckes für eine Gruppe, die erst am Sonntagmittag kam (Wer tischt den schon zwei Tage im voraus?) besänftigen konnten, ging es ans Abendessen.
Der Himmel hatte gegen Abend wieder aufgerissen und lies uns hoffen für die Nacht. Als nach dem herzhaften Abendessen die Vorbereitungen für die Nacht getroffen wurde, hingen von Westen her aber immer noch dicke Nebelwolken über der Passhöhe. Dennoch wurden die Teleskope erneut aufgestellt und alle warteten darauf, dass sich die irdischen Schleier lüften würden um den himmlischen Platz zu machen. Vorerst wurde damit jedoch nichts. Manchmal lugten die hellsten Sterne aus dem Nebel zu den Sternguckern herunter und wenn man die Milchstrasse ansatzweise sah, pochte das Herz schon schneller. Ich nutzte die Zeit, in der nicht beobachtet werden konnte, um die Adaptionsfähigkeit der Besucher mit Fotokamera und Blitzgerät zu testen. Die Geblendeten bitte ich um Vergebung, und hoffe, mit den Bildern dieser Seite entschädigen zu können.
Es wurde beinahe Mitternacht, bis sich der Nebel aufzulösen begann und den Sternen die nächtliche Bühne überliess. Die Bedingungen waren noch besser als in der Nacht zuvor und die Aktivitäten an den Geräten nahmen wieder fieberhafte Ausmasse an. Es wurde beobachtet, fotografiert, mit CCD-Kameras gearbeitet und das Gesehene laufend diskutiert. Die Dobsons standen wieder im Mittelpunkt, um den Beobachtern die Schönheiten des Kosmos in ungewohnter Pracht zu zeigen. Das Gesehene diskutieren zu können ist der eigentliche Reiz von Teleskoptreffen und das lässt sich durch nichts ersetzen. Währenddessen versuchte ich mich mal wieder an einem galaktischen Glühwürmchen. Der Planetarische Nebel NGC 7139 im Cepheus war so schwach, dass er im C8 kaum und im 50 cm Dobson nur schwierig zu erkennen war. Versöhnlich war da der Helixnebel, der als fahler, runder Klecks erschien.
Auch diese Nacht neigte sich irgendwann dem Ende entgegen und gegen drei Uhr morgens fand man sich beinahe alleine auf dem Platz vor. Aber nur beinahe. Nebst einigen Kollegen aus der Romandie befand sich auch noch ein Deutscher auf dem Platz, der sich abseits von der grossen Meute mit seinem Wohnmobil auf dem Parkplatz nebenan niedergelassen hatte und den Himmel mit einem 80 mm Refraktor auf einem Fotostativ den Himmel observierte. Wir diskutierten eine Weile und ich betrachtete den Saturn in seiner «Kanone». Der Planet war erwartungsgemäss nicht gross dafür gestochen scharf und der Himmel tintenschwarz. Astronomie braucht nicht immer Riesenöffnungen und Fluoritgläser, auch bescheidenen Hilfsmittel öffnen die Türen in den Astrohimmel. Danach war dann aber auch für mich Schluss und mit bleiernem Kopf verkroch ich mich im Schlafsack.
Der Sonntag erstrahlte im sonnigen Glanz eines Hochsommertages und lud zum Wandern ein. Die müden Gestalten, die reihum zum Frühstück erschienen und einen Kontrast zu den Ausflüglern bildeten waren jedoch kaum für sowas zu haben. Schliesslich hiess es Abschied nehmen von einer der erfolgreichsten Starpartys, an der ich teilnahm. An zwei Tagen waren insgesamt 50 Besucher erschienen. Nebst Vertreter aus dem Tessin, der Romandie und der Deutschschweiz waren auch mehrere Beobachter aus Deutschland und in Deutschland arbeitende Amerikaner gekommen. Es war also nicht nur eine gesamtschweizerische, sondern sogar eine internationale Starparty.
Meine Reise über die Pässe Grimsel, Furka und Oberalp zurück in die bündnerische Surselva war einfach traumhaft.
Text: Bruno Bleiker, Dübendorf/ZH
Fotos: Bruno Bleiker, Bernd Nies
CCD: Martin Mutti, Oberwichtrach/BE