Die 13. Starparty 2001

Hansjörg Wälchli

Impressionen vom Samstag, 17. August 2001

Wir beginnen unseren Starparty-Ausflug um etwa fünfzehn Uhr und fahren mit dem Kleinwagen meines Kollegen vom Emmental aus in Richtung Gurnigel. Der Wettergott scheint es gut mit uns zu meinen, denn er lässt die Sonne strahlen und ermahnt uns nur mit einigen Kumuluswolken über den Voralpen, die Schönheit des Tages zu würdigen. Doch als wir in Riggisberg vorbeikommen, zeigt sich, dass Petrus ein launischer Kerl sein kann; gewaltige Gewitterwolken türmen sich auf und man meint, es müsse jeden Augenblick losdonnern. Wir fahren trotzdem weiter, die Starparty findet ja bei jeder Witterung statt, auf alle Fälle wird man Bekannte treffen und sicher wieder viel Neues erfahren können. Dies bestätigt sich dann auch, als wir beim Berghaus Gurnigel anlangen. Die freudige Begrüssung ist immer ein Aufsteller, man fühlt sich fast zuhause und sofort werden die "grössten" Neuigkeiten ausgetauscht. Um möglichst die ganze anwesende Gruppe zu sehen, betreten wir den vom Hotel bereitgestellten Aufenthaltsraum, wo auch Herr Figi (Foto Video Zumstein) seine traditionelle Ausstellung präsentiert. Heuer hat er ihr sogar den Touch eines kleinen Flohmarktes gegeben, steht doch diversestes Zubehör aus Occasionen, Altbeständen etc. zu enorm reduzierten Preisen zum Verkauf bereit und mit etwas Feilschen kann man, wie ich selber erfahren darf, sogar diese noch kräftig drücken. Es scheint also ziemlich viel los zu sein, hier oben.

Vinoscope
Schmidt-Chianti Vinoscope mit Mr. Kasai

Schon macht das Wort eines um fünf Uhr anberaumten Vortrages die Runde; dieser ist wohl offiziell angekündigt worden, wir haben aber nichts davon gewusst und nehmen nichts desto trotz gerne teil. Mit grossem Sachverstand und mathematischer Genauigkeit führt uns der eigens für diese Veranstaltung aus Bonn angereiste Professor Lindemann vor Augen, dass sich die Objekte Messier 51 und NGC 5195 (die Whirlpool-Galaxien) nicht, wie auf den Bildern zu vermuten wäre, direkt berühren; die Kerne sind immerhin etwa zwei Millionen Lichtjahre voneinander getrennt. Dies wird allerdings von einigen Anwesenden nicht als wirkliche Trennung angesehen, ist doch die Ausdehnung der Ausläufer der beiden Milchstrassensysteme gewaltig und deren Zentren werden aus nur geringfügig unterschiedlichen Abständen von uns aus gesehen. Doch das Hauptthema des Vortrages erweist sich im Laufe der Darbietung eher als populärer Aufhänger und dient als Anschauungsmaterial für seine Theorie der Verrotung des Lichts, welche als Resultat aus dem Vergleich von Entfernungen hervorgeht, die einmal mittels der Hubble-Methode (Rotverschiebung) und ein zweites Mal durch die Beobachtung von Cepheiden (veränderliche Sterne) bestimmt worden sind.

Beim anschliessenden Abendessen auf der schönen Terrasse des Berghauses werden die vorgetragenen Thesen kontrovers diskutiert und auch andere als die soeben gehörte Hypothese finden bei den Anwesenden rege Zustimmung. Ob der ganzen Theorie haben wir doch das Wetter etwas vergessen und als wir den Blick wieder mal nach oben richten, dürfen wir feststellen, dass ein fast gänzlich blauer Himmel im Abendlicht der untergehenden Sonne die Wolken vertrieben hat. Sollte es wirklich eine gute Nacht werden? Es herrscht gedämpfter (Zweck?)Optimismus und die Gruppe begibt sich langsam in Richtung Panzerplattform. Der übergrosse geteerte Platz erstaunt immer von neuem die Besucher; man würde befürchten, "verloren" zu gehen, wären da nicht die vielen Personenwagen, Wohnmobile und auch Zelte der früher angereisten Sternfreunde. Also muss man sich bei der Parkplatzsuche sehr vorsehen. Die Kennzeichen der geparkten Fahrzeuge lassen auf eine internationale Besucherschar schliessen und einen umso interessanteren Informationsaustausch erhoffen. Nach einem ersten Kurzrundgang, der Begrüssung weiterer Bekannter sowie natürlich dem Bestaunen der vielen bereitstehenden, hochkarätigen Fernrohre machen auch wir uns daran, unsere Ausrüstung zu entladen. Mit einem kritischen Blick in Richtung Westen jedoch, denn es erscheint dort wieder dunkle Bewölkung. Wir sind nicht einzuschüchtern, benutzen ein Gipfelkreuz auf der benachbarten Bergkette als grobe Einstellhilfe und sind kurz danach bereit und erlebnishungrig auf die langersehnte Beobachtungsnacht. Das anrollende Unwetter ist leider doch schneller und etwas verärgert verstauen wir die empfindlichen Teile der Instrumente im Wagen, hoffend dass dies lediglich ein Intermezzo sei und überbrücken die Zeit, in der es etwas regnet, mit einem kurzen Besuch im nahegelegenen Bergbeizli. Unglücklicherweise wird uns von den Wetterfröschen des Flugwetterdienstes, welcher ein Anwesender kurz entschlossen angerufen hat, die andauernde Schlechtwetterlage bestätigt. Es geht also ans grosse Zusammenpacken. Ein Stakkato Blitze und ferner Donner mahnen uns dabei zur Eile. Mehrere Teilnehmer beschliessen, sofort den Heimweg anzutreten.

Vinoscope
Schmidt-Chianti Vinoscope: Ein original Celestron C8 Spiegel als Pommes-Chips Halterung.

Eine glücklicherweise doch recht ansehnliche Schar trifft sich aber im Verlauf des späteren Abends im Berghaus zum Kaffee oder Tee und somit kann der Meinungsaustausch weitergehen, unterbrochen lediglich durch die Polizeistunde und den dadurch bedingten Umzug in den Aufenthaltsraum. Stefan Dreyer, ein Mitglied der Sternfreunde Oberaargau zeigt einige seiner schönsten Astroaufnahmen und danach weiht uns Beat Kohler in die schon etwas vergessene Tradition des alten Maskottchens der Starparty, des Vinoscopes ein und offeriert auch dessen Füllung. Seit dem Umzug ins Berghaus Gurnigel hat dieses Weinteleskop keinen Einsatz mehr gehabt. Entsprechend sind alle Anwesenden von dessen "fluider Optik" begeistert, was sich noch steigert, als sie den leibhaftigen Originalspiegel eines Celestron C8 ungestraft berühren und als Apèroteller benutzen dürfen. Das nette Ausstattungsmerkmal des Vinoscopes ist wahrhaftig kein alltägliches Accessoire! Das schlechte Wetter ist endgültig vergessen, der Wein fliesst und die Gespräche werden intensiver, lauter aber auch ungehemmter. Langsam schrumpft dabei die Schar der Anwesenden und die letzten Unverdrossenen entschliessen sich gegen vier Uhr in der Früh, das Nachtlager aufzusuchen. Unter Alkoholeinfluss wird grösster Wert auf kleine Lärm- und Lichtemission gelegt und tastend sucht man seinen Massenlagerschlafplatz. Nach kurzer Mühe mit der Alltagsbekleidung - wo ist meine Brille am sichersten aufgehoben? - ersteige ich das obere Teil unseres Kajütenbettes Marke Schweizer Armee und bitte den Sandmann um eine Einschlafhilfe und sicheren Halt...

Sonntag, 18. August 2001

Glücklicherweise gibt es hier keine Hähne (und auch keine Hennen)! Ich beginge wohl ein Tötungsdelikt und drehte dem armen Federvieh den Hals um! Vielleicht, oder sogar sicher, würde der Gockel aber der Attacke eines schlaftrunkenen, vom Restalkohol noch benebelten Sternguckers mit Leichtigkeit entgehen und den armen Kerl mit noch lauterem Krähen verhöhnen. Beim ersten Erwachen zeigt sich ein eigenartig güldener Schein, der durch den Gang in die Schlafstube streicht. Ist dies die Sonne? Petrus hat uns also wirklich verladen und obwohl der blaue Himmel mit einigen Wolkenschlieren durchsetzt ist, macht sich ein wenig Unwillen bereit. Langsam werden die Leute um mich herum wach und das Aufstehen so vieler übernächtigter Menschen macht einen etwas grotesken Eindruck auf mich. Sehe ich etwa auch so aus? Ganz sicher! Das Frühstück auf der Bergterrasse hilft einem dann etwas auf die Beine. Natürlich wird dabei über Sterne, fremde Welten aber auch über Fernrohre, Okulare und diskutiert. Kurze Zeit später gesellt sich sogar Professor Lindemann zu uns - tadellos gekleidet und ohne Anzeichen einer durchwachten Nacht! Leider haben wir ja bloss Wochenende und keinen Urlaub und so beschliessen mein Kollege und ich, den Gurnigel gegen Mittag zu verlassen. Die Fahrt durch den aufkommenden Nebel bringt uns in ein sonnenverwöhntes Emmental zurück. Schönes Wetter hier; aber zuerst muss ich mal tüchtig nachschlafen.